Montag, 24. November 2008

VORWORT 1978


Zitat: »Die Art der Beleuchtung einer Sache ändert nichts an ihrem Wesen.«
Stanislaw Lec, polnischer Aphoristiker

Zu keinem Zeitpunkt in der kurzen Geschichte der Datenverarbeitung entschied allein der technische Vorsprung einzelner Computer-Produzenten über die Herrschaft am DV-Markt. Vielmehr war es der gezielte Einsatz von Dollar-Power, die strategische Überlegenheit eines meisterhaft und minutiös kalkulierenden Managements und die kostspielige sowie ausgefuchste Mitarbeitermotivation, die die absolute Dominanz einer Unternehmung am Markt entschied. Ihr Name: IBM. Ihr ebenso einfaches wie geniales Marketing-Konzept setzte die entscheidenden Akzente. Die pointierte Umsetzung des allgemein zugänglichen Wissens um die technischen Komponenten in eine clevere Vertriebsstrategie war das Erfolgsrezept. Gegenkonzepte fehlten und fehlen oder sind lediglich in Umrissen erkannbar.
So standen die Konkurrenten der IBM immer im Zugzwang, dem sie durch technologischen Vorsprung entgehen wollten und ihre Vertriebsorganisation vernachlässigten. Daraus ergab sich ein verhängnisvolles Wechselspiel von Innovation und Imitation.
Während die Mitbewerber imme am Rand der technologischen Schallmauer und damit am kommerziellen Abgraung agierten, reagierte IBM mit einer permanenten Evolution ihrer Marketingmacht.
Eine große Chance, in den profitablen Computermarkt einzusteigen und zu ihren Gunsten zu verändern, verpassten die Widersache der IBM in den frühen sechziger Jahren, als der Generationswechsel der Computer mit der Entwicklung von hochwertigen Halbleitern in der Luft lag. In dieser historischen Phase wurden die Weichen in jene Richtung gestellt, in die der Markt noch heute treibt. Mit einem grandiosen Coup okkupierte damals die IBM die Schaltzentrale in der neuen Generation. Diese markante Bruchstelle, in der für einen Augenblick der Markt völlig offen war, versuchen wir im ersten Teil des Buches wieder aufzudecken.
Hier wurde deutlich wie ein Koloss von der Größe der IBM leichtfüßig wie eine Primadonna auf die Zukunftsmusik reagierte, die die Halbleiter-Hersteller inonierten. In kurzer Zeit riss der Konzern die Regie an sich. Seitdem tanzt der Markt zu den Takten und Tempi, die die IBM vorlegt.
Der Respekt vor dieser Leistung war es, der uns dazu bewog, post festum die Entwicklung der IBM zu rekapitulieren, vor der in der jüngsten Vergangenheit so viele Mitbewerber kapitulierten.
Die IBM ist eine Vertriebsgesellschaft. Ihre Produkte sind Mittel zum Zweck. Der Zweck ist Geld. Und Geld heiligt die Mittel.
Mitbewerber der IBM fungieren oft als Alibi. Die IBM regelt den Markt. Sie setzt die Standards. Nach Belieben. Aber immer zum richtigen Zeitpunkt. Dann, wenn sie bestimmt, dass der Markt reif ist.
Die Mitbewerber erschließen der IBM ständig neue Märkte. Ein aktuelles Beispiel: Alle Welt redet von "Distributed Processing". IBM hielt sich zurück. Über das, was die Konkurrenten vorlaut ausplauderten, dachte sie nach. Und als keiner mehr mit IBM rechnete, waren die Produkte plötzlich da. Die Entscheidung liegt nun bei den Kunden. Diese aber hat die IBM im Griff. Das Buch "Der Markt sind wir" ist der der gescheiterte Versuch, die IBM in Griff zu bekommen. Vielleicht ist es uns gelungen, die IBM ein wenig griffiger zu machen. Denn auch die IBM arbeitet nach einem Schema, das sich mit seinen Grunsätzen nie geändert hat. Die IBM ist ein permamenter Denkprozess. Sie bietet eine gigantische Angriffsfläche. Aber sie ist nicht greifbar.
Uns hat es sehr viel Spaß gemacht, dieses Buch zu schreiben. Wir wünschen Ihnen ebenso viel Spaß beim Lesen.
Stuttgart, Dezember 1978
Hermann K. Reiboldt/Raimund Vollmer

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