Mittwoch, 31. Dezember 2008

2009: Das Jahr, indem IBM jede Menge Jubiläen feiert, und sich auf 100 Jahre in Deutschland vorbereiten muss

2009 ist das Jahr, in dem die IBM-Benutzervereinigung GSE in Deutschland 50 Jahre alt wird. 2009 ist das Jahr, in dem IBM in den USA seit 85 Jahren den Namen IBM trägt. 2009 ist das Jahr, in dem ihre deutsche Tochter, die einstige Deutsche Hollerith Maschinengesellschaft, sich in Internationale Büro-Maschinen Deutschland, in IBM Deutschland, umtaufte.
Bei alldem ist es schon ein Kuriosum: Die IBM Deutschland ist eigentlich älter als ihre amerikanische Mutter. Während die IBM Corp. ihre Geburtstunde mit dem Eintritt von Thomas J. Watson Senior am 1. Mai 1914 angibt, feiert die IBM Deutschland 1910 als ihr Gründungsjahr. Damals wurde in Berlin die Deutsche Hollerith Maschinengesellschaft (Dehomag) aus der Taufe gehoben. Grund genug, in 2009 schon einmal ausführlich die Geschichte der IBM zu würdigen - zumal es im Oktober 2009 ganau 25 Jahre her ist, dass das Buch "Das blaue Wunder - Die IBM und ihre Mitbewerber" erschien. Der Autor ist Raimund Vollmer. Er begleitet seit 1975 die Geschichte der IBM und hat dazu ein umfangreiches Archiv aufgebaut. "Das blaue Wunder" wird hier ebenfalls als Tagebuch veröffentlicht.
Hinzu kommt, dass die IBM-Benutzervereinigung GuideShareEurope (GSE) in 2009 ein halbes Jahrhundert alt wird. Auch dies ist ein wichtiger Anlass, die Geschichte der IBM und ihrer Kunden Revue passieren zu lassen.

3.13 Strategie-Vergleich


Diese Zahlen bewerten eine unterschiedliche Strategie, mit der beide Unternehmen in den Markt drangen: Remington suchte den Erfolg in der ganzen Bandbreite der Büroausrüstung. Eine homogene Vertriebsorganisation war dadurch nicht möglich. Dies führte zu erheblichen Reibungsverlusten.
Die durchstrukturierte Verkaufsorganisation Watsons zeigte dem Mitbewerber, dass Diversifikation im Produktbereich zu Frustration im Profitbereich führt. Die Konzentration führte zur Explosion, die die Marktlandschaft für Jahrzehnte zugunsten der IBM veränderte.
In dieser Situation, in der sich der einzige Wettbewerber verzettelte, konnte die IBM eine Stratgie kultivieren, die ihre Kunden völlig an sie band. Lochkartenmaschinen wurden damals ausschließlich vermietet. Damit war die ständige Verbindung zum Kunden gewährleistet. Dieses Verhältnis wurde noch dadurch vertieft, indem der Konzern die Anwender dazu zwang, einzig IBM-Lochkarten zu benutzen. Dabei wurde eine Begründung vorgeschoben, die zwar einleuchtend klang, es aber nicht war. Die VBs argumentierten wie heute, wenn es um Mixed Hardware geht: "Unsere umfassenden Anforderungen an die Lochkarte werden durch die Maschine bestimmt. Es ist zu befürchten, dass Lochkarten, die sich unserer Qualitätskontrolle entziehen, nicht den Leistungsmerkmalen unserer Produkte genügen. Das könnte zu Betriebsstörungen führen, für die wir selbstverständlich keine Verantwortung übernehmen können."
1936 verbot der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten diese Koppelei und befahl das erste Unbundlíng. Konsequenzen: gleich null. Denn fleichzeitig wurde die IBM zum Lochkarten-TÜV erhoben: Sie allein bestimmte die Qualität der Karten, mit denen auf ihren Produkten gefahren werden durfte.
Die Marktbeherrschung im Lochkartengeschäft blieb unberührt. Sie war dann auch die Voraussetzung für den Erfolg mit den Computern, wobei die Mitbewerber wieder in die Röhre guckten.

Montag, 29. Dezember 2008

3.12 Ernte 46


Powers erlitt das Schicksal vieler späterer IBM-Mitbewerber. Zwar gelang dieser Firma zwar 1921 nochmals ein großer technischer Gag mit der Ankündigung eines alphanumerischen Buchungsautomaten, über den IBM erst zehn Jahre später verfügte. Hier zeigte sich zum ersten Mal , dass die IBM allein die Zeit festsetzt, zu der der Markt für eine technologische Neuheit bereit ist. Denn Powers verstand es nicht, über den Produktionsvorteil den Markt in den Griff zu bekommen. Die Kostensituation im Personalbereich bei den potentiellen Abnehmern erforderte einfach noch nicht den Einsatz moderner Raionalisierungsgeräte.
Zehn Jahre später war die Zeit reif, und IBM erntete. Der Umsatzanteil der Datenverarbeitungsgeräte schnellte auf 51 Prozent hoch.
Dieser Trend zur Produktkonzentration wird von dem Mitbewerber nicht nachvollzogen. Powers fusioniert 1927 mit Jim Rand zu einem Büromaschinenkonzern, der Remington Rand Corporation.
Vergleichspunkt 1930: In diesem Jahr fuhr die IBM einen Umsatz von 20,3 Millionen Dollar ein, Remington Rand erzielte 60 Millionen Dollar.
Vergleichspunkt 1946: Remington Rand steigert sich um 65 Prozent auf 107 Millionen Dollar. Die IBM katapultiert sich um 500 Prozent auf 119,4 Millionen Dollar.

Sonntag, 28. Dezember 2008

3.11 Im Spannungsfeld

1914: Neu bei der CTR - Thomas J. Watson Senior, der 1924 der Firma den Namen IBM gab.
Watson wurde mit seinem Eintritt in die CTR eine eindeutige Rolle zugewiesen: die unterschiedlichen Gruppeninteressen der zusammengewürfelten Gesellschaft zu konsolidieren. Das Spannungsfeld, in dem Watson agierte, wurde geladen von Flint, dem Konzernbastler, von Hollerith, dem eigenwilligen Erfinder, und von George W. Fairchild, dem Geldgeber. Watson löste sich aus diesem Interessenskonflikt durch totale Konzentration auf den Verkauf von Lochkartenanlagen, die 1924 bereits 25 Prozent des Umsatzes erbrachten.
Als Watson 1914 den Vertrieb startete, gab es bereits einen Konkurrenten, der bessere Geräte billiger verkaufte. Die Powers Company bot Produkte an, die eindeutige Vorteile aufwiesen: automatische Ergebnisdruckwerke und elektrisch betriebene Stanzer. Während Hollerith diese Tatsache engstirnig ignorierte, etablierte Watson das erste Crash-Programm unter dem Titel "Abteilung für Anforderungen der Zukunft". Dahinter verbarg sich nichts anderes, als das Konkurrenzprodukt auseinander zu nehmen, zu analysieren und zu verbessern.

Samstag, 27. Dezember 2008

3.10 Kleine Lochkarten-Lehre


Foto: Raimund Vollmer, 2004: IBM-Museum in Sindelfingen

Wer IBM sagt, meint den Markt. Wer den Markt nennt, meint IBM. Die absolute Dominanz des Multis gründete sich seit jeher weniger auf einen Innovationsvorsprung, den IBM nur selten besaß, sondern eher auf die Verzögerung von marktträchtigen Inventionen. Nach dem Motto, dass der "Profit im eigenen Lande nicht zählt" ging ein junger deutschstämmiger Bergwerksingenieur im letzten Quartal des vergangenen Jahrhunderts in Land der begrenzten Unmlglichkeiten und profilierte sich als Volkszähler der neuen Nation. Für diese Auswertung entwarf dieser Mann namens Hollerith Zählblättchen, die er zu Lochkarten weiterentwickelte. 1884 meldete er mehrere Patente zur Lochkartentechnik an, die er 1890 für die elfte Volkszählung anwandte. Von da an ging das neue Volkszählwerk durch die ganze Welt.
Die typische Konfiguration einer Lochkartenanlage blieb über Jahrzehnte hinweg erhalten und änderte sich lediglich in den Verarbeitungsgeschwindigkeiten. Grundsätzliche Ausrüstungselemente waren der Lochkartenstanzer (Locher) für die Datenerfassung, die Sortiermaschine zur verarbeitungsgerechten Aufreihung der Daten und die rechnende Tabelliermaschine zur Auswertung und Auflistung der Informationen.
Watson erkannte sofort den kommerziellen Nutzungswert dieses Verfahrens.
Zu Beginn der zwanziger Jahre war das Lochkartenverfahren nahezu ausschließlich in der öffentlichen Hand. Der erste kommerzielle Anwender war die New York Central Railroad, die für Frachtstatistiken und Buchführung eine Anlage anmietete. Der Siegeszug der Datenverarbeitung und der IBM begann. Gleichzeitig kam es zur ersten Marktaufteilung. Während sich der Hollerith-Jünger Powers mit der Neuentwicklung von neuen Maschinen auf elektromechanischer Weise beschäftigte, setzte Watson auf die Anziehungskraft der elektromagnetischen Produkte. Zwar gewann Powers das renommierträchtige Projekt der 13. Volkszählung, doch er konnte kein marktbestimmendes Kapital daraus schlagen, da er Watsons Verkaufsmethoden nichts entgegenzusetzen hatte.
Bis zum Beginn der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts dominierte das Loch, obwohl ein großartiger Innovationsschub bereits die Vorzeichen des Computerzeitalters gesetzt hatte, Die massenhafte Verbreitung von Lochkarten und Lochkartenmaschinen konservierte über eine Dekade hinweg das Röhrenzeitalter, das 1946 mit der Entwicklung von ENIAC durch Remington Rand eingeläutet wurde. Watsons starres Festhalten am Lochkartenprinzip war dennoch kein Schaden. Denn sein überaus cleveres Management beherrschte die marktkonforme Verzögerungstaktik exzellent. Als IBM nach Jahren mit Computern auf den Markt kam, war es die einfachste Übung für die Profis, aus dem Lochkartengeschäft einen neuen Erfolg zu stanzen.

Freitag, 26. Dezember 2008

3.9 Provinzialismus


Konzernschmied: Charles R. Flint (1925)

Nach diesem Coup, der eine große Breitenwirkung zur Folge hatte, gründete der Deutsch-Amerikaner 1896 die Tabulating Machine Company zur kommerziellen Ausschöpfung seiner Patente. Der Massenabsatz aber stockte. Hollerith fehlte dazu das Geld. Dies lag daran, dass er den Vertrieb amateurhaft organisiert hatte. Bis 1911 verfügte seine Firma über keinen einzigen Verkäufer. Hier zeigte sich erstmals der Mangel, unter dem noch heute viele Mitbewerber der IBM leiden: die Umsetzung von Investitionen in bare Münze. Hollerith, der keine Verkäufer hatte, verkaufte sich (und seine Idee) an C. Flint, eine der großen Unternehmerpersönlichkeiten dieser Zeit.
Flint kreierte Watson und damit IBM.
Watson führte das Unternehmen aus dem Provinzialismus Hollerithscher Prägung zum Zentrum der Datenverarbeitung. Allerdings benötigte er dafür fast zehn Jahre, die er in weitgehender Anonymität verbrachte. Erst mit der 1924 erfolgten Umbenennung der CTR in IBM leuchtete sein Name groß auf.

Dienstag, 23. Dezember 2008

3.8 Geschichtchen der DV

Bild: Herman Hollerith
Dieser Deutsche (Hollerith war deutschstämmig, d.Red.) stand in der Tradition von Denkern, die sich seit 2600 v. Chr. multinational mit der Entwicklung der Datenverarbeitung beschäftigten. Damals erfanden chinesische Rechenkünstler den Suan Pan. Der ägyptische Spross erfand 900 Jahre später die zweite prähistorische Generation auf den Weltmarkt, die weitere 1300 Jahre später als Abax in Griechenland auftauchte und die die Römer weitere 300 Jahre später zum Abakus perfektionierten. Danach: 1200 Jahre Denkpause. Erst der Spanier Lullus wagte sich 1275 wieder an den Entwurf einer Denkmaschine, die er für einen großangelegten Glaubensbeweis benötigte. Adam Riese (1520) und Wilhelm Schickard (1623) waren die ersten Deutschen, die in das Datenverarbeitungsgeschäft eingriffen. Schickard gilt als einer der Väter des Rechenmaschinenbaus, dessen sechsstellige Additions- und Subtraktionsmaschine der französische Philosoph Blaise Pascal um zwei Stellen erweiterte. Den technologischen Sprung auf ein System, das alle vier Grundrechenarten theoretisch beherrschte, schaffte Gottfried Wilhelm von Leibniz. Der Pfarrer Phillip M. Hahn, ein schwäbischer Tüftler, setzte Leibniz in die Praxis um und baute die erste funktionsfähige 4-Species-Rechenmaschine. So geschehen 1744.
Diese Maschine, die von Joseph-Marie Jacquard zum ersten "lochkartengesteuerten Prozessrechner" ausgefeilt wurde und deren Idee von Charles Babbage aufgegriffen wurde, war die Basis für den bis heute andauernden IBM-Erfolg, der von Herman Hollerith technologisch eingeleitet und von Thomas J. Watson kommerziell verwertet wurde.
Hollerith ist der Erfinder der Datenerfassung. Er setzte alles auf eine Karte, die eindeutig gezinkt war - durch das Loch. Damit hatte er die Neue Welt im Griff. Bei der amerikanischen Volkszählung in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts bewährte sich sein Lochkartenverfahren zum ersten Mal im Massentest.

Montag, 22. Dezember 2008

3.7 Einführung in das Lochkartenverfahren

Titelheld Herman Hollerith 1979: Der Pfälzer und Coautor Hermann K. Reiboldt weilte anlässlich des 50. Todestages seines "Landsmannes" Herman Hollerith auf den Spuren dieses Pfälzers, der allerdings 1860 in den USA geboren wurde...



Kaufmann ist ein Beruf, zum Verkäufer muss man geboren sein. Watson war Verkäufer, zum Kaufmann wurde er berufen. Von C. Flint, einem unternehmerischen Genie, das es verstand zum richtigen Zeitpunkt, drei seiner unterschiedlichen Firmen zu einer Gruppe zusammen zu schließen. Die Produktpalette dieser Unternehmen würde heute als Musterbeispiel für krisensichere Diversifikation (solange sie sich nicht im EDV-Bereich engagiert) gelten. Das Spektrum reichte von Aufschnittmaschinen über Rechenwaagen, Ladenausstattung bis zu Stechuhren. Der wirklich zukunftsweisende Bereich wurde von einem Mann in die Profitkommune eingebracht, der einem Verfahren über Jahrzehnte hinweg einen Namen gab, selbst aber am wenigsten finanziellen Nutzen davon hatte: Herman Hollerith.

Samstag, 20. Dezember 2008

3.6 Ein Phänomen entsteht

Watson gelang es trotzdem, die Fremdbestimmung des Unternehmens durch Anteilseigner zu eliminieren, und schob sich selbst immer mehr in den Vordergrund. 1924 wird er Generaldirektor der Gesellschaft, die im selben Jahr zur IBM umbenannt wurde. Vier Jahre später räumt ohm "Who Is Who" bereits eine 28-Zeilen-Rubrik ein, und 1930 ist er der bestbezahlte Manager der USA mit einem Salär von 40.000 Dollar.
Die Leiden des jungen W. (bei Patterson) wurden zu den Lehren der IBM. Watson verstand es, Pattersons strenge Erziehungsmethoden zu humanisieren und damit noch wirkungsvoller zu machen.
Diese mit nahezu religiösem Eifer und bis ins Detail geplante und ausgefeilte Methodik, in der er auch seine methodistische Gesinnung voll ausspielte, sicherte ihm und dem Unternehmen ein bisher nicht wiederholten Erfolg: Das Lochkartenverfahren eroberte die Welt im direkten Zugriff und legte den Grundstein für das Elektronik-Imperium anno 1977.
Mit Elektronik hatte Watson allerdings nocht viel im Sinn. Als ihm seine Wissenschaftler die ersten Computerkonzepte vorstellten, schätzte er den weltweiten Bedarf dafür auf exakt fünf.
Das aber war eine seiner wenigen Fehleinschätzungen.

Freitag, 19. Dezember 2008

3.5 KonFusion


Das Logo der CTR (Computer Tabulating Recording)

Watson verstand dies offensichtlich am besten. Dreiundzwanzig Jahre nach seinem Tod ist weit und breit kein Wettbewerber zu sehen, der "sein" Unternehmen auch nur annähernd gefährden könnte.
Als Thomas J. Watson Sr. 1913 startete, firmierte das, was die IBM begründete unter dem Namen CTR (Computer Tabulating Recording Company). Er war damals von C. Flint, der eine Fusion zwischen Holleriths Tabulating Machine Company und zwei weiteren Unternehmungen zur CTR ermöglicht hatte, dem Aufsichtsrat als Direktor vorgeschlagen worden.
Doch Watson war persona non grata. Der Aufsichtsrat störte sich weniger am noch laufenden NCR-Antitrustverfahren als vielmehr an der klar erkennbaren Strategie Flints, der in Watson die Persönlichkeit sah, den gesamten Konzern auf eine stramme Linie zu bringen.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

3.4 Watson is IBM – Watson was IBM

Thomas J. Watson Sr. mit seiner Frau Jeannette Kittredge
Vorurteil: Watson ist der Erfinder der IBM-Verkaufsstrategie.
Beweisführung: Selbst innerhalb der IBM wird dies vielfach angenommen und verbreitet.
Urteil: Patterson ist der Erfinder der Strategie.
Begründung: Watson lernte das Verkaufen bei NCR, kopierte die Methoden und perfektionierte sie. Watsons unternehmerische Leistung für die IBM lag darin, dass er völlig profitorientiert war. Für ihn zählte in erster Linie der Gewinn und nicht die unantastbare Marktstellung, die Patterson bei NCR mit allen Mitteln zum Monopol ausbauen wollte.
Während Watson der einzige namhafte Patterson-Schüler war, der sich in einer artverwandten Branche verdingte, heuerten NCR-Kommilitonen in der ebenso wachstumsfreudigen Automobilbranche an: R. Grant (Chevrolet), A.T. Macauley (Packard Motor), C.F. Kettring (General Motors), H. Chalmer (Chrysler). Diese Manager kultivierten den Wohlfahrtskapitalismus.

Dienstag, 16. Dezember 2008

3.3 Etwas außerhalb der Legalität

Die Aufgabe, die Watson im Headquarter erwartete, war äußerst diffizil und delikat: Er sollte Konkurrent der NCR werden. Sein Startkapital: eine Million Dollar, von Patterson persönlich genehmigt.
Dahinter steckte die Angst Pattersons, dass andere mit dem, was den Namen NCR trug, Geschäfte machten. Im Windschatten seiner Verkaufsflotte hatten sich clevere Kleinhändler etabliert, die einen schwunghaften Handel mit gebrauchten Kassen betrieben. Diese Freibeuter gefährdeten den absoluten Monopolanspruch des Kassen-Führers, dem dieser fast schon paranoid anhing.
Der Aufstieg Watsons in die NCR-Unternehmensspitze machte ihn zum Kriminellen. Er unterminierte das Geschäft der Gebrauchtkassenhändler mit Methoden, die eindeutig unlauter und illegal waren. Er brachte zwar das Secondhand-Geschäft unter Kontrolle, aber sich selbst beinahe ins Gefängnis.
Zum ersten Mal kam Watson in Berührung mit dem Sherman-Anti-Trust-Act, mit dem er sich später auf höchster Ebene bei IBM auseinanderzusetzen hatte.
Im letzten Jahr seiner Tätigkeit bei NCR (1912) wird Watson mit anderen Managern angeklagt, den Registrierkassenmarkt monopolisiert zu haben. Er wird für schuldig befunden und - genau so wie sein Ziehvater Patterson - zu Geldstrafe und einem Jahr Gefängnis verurteilt. NCR legt Berufung ein, doch zur Verhandlung kommt es nicht mehr. Die Parteien schließen 1914 einen Vergleich, den Watson nicht unterzeichnete: Er hatte NCR 1913 nach einem Streit mit Patterson verlassen. Die Geschichte der IBM begann.
Watson konnte nun zeigen, was er bei Patterson gelernt hatte. Den offenen Feldvergleich zwischen Lehrer und Schüler genießen wir heute. Im Wettstreit der beiden Unternehmen.
Im kaprizösen Dienstleistungsmarkt drängte ein Multi in den Markt des anderen. Während NCR sich im Computermarkt die Zähne ausbeißt, hat sich IBM bereits ein Riesenstück aus dem POS-Kuchen herausgeschnitten, der Pattersons Nachfolger über Jahrzehnte hinweg gut ernährt hatte: die Kassen. Sie wurden zum Point of Sales im doppelten Sinne.

Montag, 15. Dezember 2008

3.2 Patter(so)n of Behavior

Pattersons Welt waren die Registrierkassen. Auf diese erhob er den totalen Anspruch. Er wollte das Marktmonopol. Den Grundstein dazu hatte er 1882 durch den Erwerb mehrerer Patente gelegt, die er zu einer diebstahlsicheren Registrierkasse ausfeilte. Doch Technologie war auch damals nicht alles. Patterson kreierte eine Verkaufsmasche, die den triumphalen Erfolg der NCR-Produkte ermöglichte. Sie basierte auf einer Verhaltensschablone (Pattern of Behavior), on die der NCR-Regent seine Verkaufsmannschaft zwängte:
- Uniformität in Kleidung und Auftreten,
- Einpauken von Verkaufsgesprächen,
- Erfolgsanreiz durch hohe Provisionen,
- Inszenierung von Hurra-Tagungen und Hundert-Prozent-Klubs,
- ausgetüfteltes Quotensystem,
- engmaschiges Netz von Sozialleistungen-
Über diesem System thronte der Patriarch Patterson, dessen Diktat sich alle bedingungslos zu uhnterwerfen hatten.
Er durchschritt auf seinem Marsch durch die Verkaufshierarchie alle Stationen:
1985: Verkäufer in Buffalo, N.Y.
1899: Geschäftsstellenleiter in Rochester, N.Y., aufgrund seiner Verkaufserfolge,
1903: Wechsel in die Zentrale nach Dayton/Ohio.
Diese Management-Masche durchlebte der junge Watson in all ihren Vorzügen und Unarten. Zum Schluss beherrschte er sie blendend.

Sonntag, 14. Dezember 2008

3.1 Der junge Herr W.

Die Imitation übertrifft das Original. Wichtig ist allein die Überlegenheit. Das ist die unausgesprochene Essenz der IBM-Philosophie. Der hervorragendste Vertreter dieser Elementarlehre war Thomas J. Watson, der in diesen Tagen 104 Jahre alt geworden wäre. Heute allerdings wäre er in der IBM ohne Chance. Zwei Jahre Handelsschule, Buchhaltungspraxis in einem Fleischwarengeschäft und fahrender Händler in Sachen Klavier und Nähmaschinen würden ihm heute höchstens Berufschancen bei einer Mixed-Hardware-Firma eröffnen.
Trotz der - nach heutigem IBM-Maß - unzureichenden Vorbildung wurde Watson zum Phänotyp des hochqualifizierten Verkäufers. Denn seinen letzten Schliff erhielt er bei dem Pionier aggressiver Verkaufsstrategien J.H. Patterson, durch den eine ganze Managergeneration geprägt wurde. Patterson, der um die Jahrhundertwende die NCR Corporation regierte, beherrschte meisterhaft die Methode, aus Menschen Verkaufsinstrumente zu machen. In dieser Disziplin wurde er lediglich von seinem Meisterschüler geschlagen - Thomas J. Watson.

III: Der unaufhaltsame Aufstieg des Herrn Watson oder wie man mit Fehlern anderer Geschäfte macht


Samstag, 13. Dezember 2008

Kapitel I: 2.8 Vertriebsausflug

Die Mitgliedschaft in diesem Verein können alle IBM-Mitarbeiter erwerben, die alle direkt an der hundertprozentigen Erfüllung der Quote beteiligt sind.
Der Hundertprozentclub ist ein mehrtägiger Betriebsausflug auf Erfolgsbasis. Die Reiseziele sind attraktiv, die Hotels erstklassig, der Rahmen pseudoexklusiv.
Ein Riesenstab professioneller Veranstaltunsgmanager inszeniert ein Spektakulum zwischen Show und Business, zwischen Kultur und Profit. Doch kein Freudenfest bei der IBM ohne Lerneffekt. In Seminaren werden die Teilnehmer weiter in Sachen Faszination getrimmt: unter anspruchsvollen Leitthemen "The Information Challenge", "The Information Explosion" und "It's Time for Success" vertieft die IBM ihren ideologischen Hintergrund und versteckt in ihren Aussagen die Vorbereitung neuer Produktstrategien.
So sehr das Elitbewusstsein der Erfolgskaste in den Seminaren gehätschelt wird, so durchschnittlich wird die Klub-Freizeit gestaltet. Hoer lautet das Motto "Jubel, Trubel, Eitelkeit" und die Veranstaltung unterscheidet sich kaum noch von Ausflugfahrten des Pauschaltourismus, zu dessen Pionieren sich die IBM durchaus zählen kann.
Die beste Regie kann nicht verhindern, dass die in Bewegung gesetzten Erfolgsmassen außer Rand und Band geraten. Der auf Seriosität programmierte VB erlebt seinen Karneval. Die Ventilfunktion tritt in Kraft. So geschah es während des Klubs 1967 in Palma de Mallorca, dass eine spanische Spitzenflamencogruppe die in einer Hazienda versammlete Herrengesellschaft derart in Verzückung versetzte, dass IBM-General Bösenberg seinen Assistenten Dr. F. mit der unlösbaren Aufgabe betraute, die ausgelassene VB-Schar zu besänftigen. Seine ernsthaften Bemühungen ernteten lediglich ironische Zustimmung.
Die Welt, die ein Jahr lang nach dem Punktsystem funktioniert, orientiert sich drei, vier Tage (und Nächte) an Pinten, Pubs - und Nachtklubs.
Die unglücklichsten IBM beim Vertriebsfest sind im Regelfall die Veranstaltungsmanager. Sie müssen sich während der Generalproben vom kritischen Topmanagement ins Programm reden lassen und in letzter Minute Röcke von Ballettmädchen länger und Sketchdialoge kürzer machen. Das wiederum löst das Missfallen des Publikums hervor. Bei den internationalen Salesseminaren entzieht sich die Mehrzahl der Teilnehmer dem Programm durch Umschalten der Simultanübersetzungsanlage auf Leerton und die großen Meister der IBM führen ihre Dialoge lediglich mit den Übersetzern.
Die Imagination der Hundertprozentclubs gewinnt aber mit der Distanz. Schon auf dem Rückweg setzte hehre Erlebnisstimmung ein und nicht wenige Teilnehmer nageln zuhause (eils im Büro belächelt wird) mit Stolz ihre Urkunde an die Wand und lassen die Anstecknadeln in Manschettenknöpfe umarbeiten.

Freitag, 12. Dezember 2008

Kapitel I: 2.7 Die Punkte

Peter L. begann also mit Klinkenputzen und versuchte - wie man es ihm in der Vertriebsschulung beigebracht hatte - seine Faszination weiterzugeben. Damit allein war es allerdings noch nicht getan, denn die Einführung des Lochkartenverfahrens erforderte in den frühen sechziger Jahren neben Show-Business eine Menge Detailarbeit.
Dennoch ließ der erste Auftrag nicht lange auf sich warten. Eine Lebensmittelgroßhandlung unterschrieb vier Wochen nach dem Start Vertrag und Mietschein für eine Lochkartenanlage mit einem monatlichen Mietwert von 8000 DM.
Basis für Berechnung und Auszahlung von Provisionen ist ein sich ständig ändernder "Quoten- und Incentiveplan", in dem die provisionsmäßige Abwicklung jedes möglichen Geschäftsvorfalls paragraphenweise fixiert ist. Maßeinheit der Quote ist der Punkt, der ursprünglich einem Monatsmietwert von etwa einem Dollar entsprach. Jedem Produkt ist eine Summe von Punkten zugeordnet. Vergütet wird lediglich der Umsatzzuwachs. Umsatzrückgänge (durch Kündigungen und Stornierungen) führen zu einer Punktebelastung.
Das bedeutet in der Praxis:
- Die volle Punktzahl kann der Verkäufer bei allen Neukunden für sich verbuchen.
- Außerdem wird der volle Punktwert bei Zusatzgeschäft ohne Austausch gutgeschrieben.
- Bei Austauschgeschäften erfolgt lediglich die Gutschrift des Differenzpunktwertes.
- Kündigungen und Stornierungen ohne Ersatzauftrag belasten das Punktekonto.
Auch dieses relativ einfache Prinzip verdeutlicht das unmittelbare Gewinnstreben. In diesem Raster zu denken, lernte Peter L. sehr schnell. Erstellte gleichzeitig fest, dass Provision nicht das einzige war, was das Unternehmen an Motivation zu bieten hatte. Verkaufswettbewerbe mit Geld und Sachprämien und Neukunden-Bonus-Programme spornten ihn auf dem Weg zum Etappenziel an. Wer dieses Soll erfüllte, hatte nicht nur beachtlich verdient, sondern stieg zur VB-Elite auf: Er wurde Mitglied des 100-Prozent-Clubs.

Donnerstag, 11. Dezember 2008

Kapitel I: 2.6 Das große Planziel

Als Betätigungsrevier wurden dem Jung-Verkäufer mehrere Geschäftsstraßen der Main-Metropole zur Verfügung gestellt. Potentielle Kunden in diesem Gebiet reichten vom Handelshaus über den Fertigungsbetrieb bis hin zur Großbank. In diesem Mischterrain musste Peter L. in verkleinertem Maßstab das erfüllen, wohin der gesamte Konzern strebte: zum großen Planziel - die Quote.
Sie allein entschied über Umsatz, Gewinn und Wachstum des Unternehmens.
Sie allein entschied über Einkommen, Fortkommen und Image von Peter L..
Hinter der Quote verbirgt sich ein bis ins letzte Detail geplantes Verkaufssystem, das sich an nichts anderem orientiert als an Profit. Seine wesentlichen Merkmale sind:
- In absoluten Zahlen formuliert das Topmanagement regelmäßig im Rahmen von Zwei-, Fünf- und Siebenjahresplänen die Gewinnerwartungen.
- Erst jetzt wird der zu erzielende Umsatz fixiert. Auf der Basis des zuvor festgelegten Zielprofits wird der Umsatzerlös hochgerechnet.
- Dabei wird unterschieden zwischen bereits vorhandenen Einkünften und zu realisierenden Auftragseingängen.
- Der Auftragseingang für die Zielperiode ist die Quote.
Das System zeigt klar die Vertriebsorientierung der IBM. Fortschung, Entwicklung und Produktion sind in dieser Unternehmensstrategie zwar bedeutende, aber klar untergeordnete Funktionen.
Diese Hierarchie unternehmenspolitischer Wertigkeiten wurde vonn den Mitbewerbern des Computermultis lange Zeit verkannt.
Die Quote wird innerhalb der Organisation weitergereicht wie eine heiße Kartoffel. Auf dem langen Marsch durch die Instanzen bis hinunter zum Vertriebsbeauftragten hat sic sich dann derartig abgekühlt, dass der VB sie im Regelfall ohne Murren schluckt.
Als Peter L. seine Quote bekam, schluckte er zweimal. Die Umsatzerwartung, die in ihn gesetzt wurde, erschien ihm unrealisierbar. Doch seine routinierten Kollegen und seine Manager trösteten ihn: "Bisher haben wir noch jede Quote geknackt."

Mittwoch, 10. Dezember 2008

2.5 Totale Welt des VB


Faszinierend waren sowohl die Produkte wie auch das Geld, das man durch nachgewiesenes Detailwissen verdienen konnte. Schulleistungsprämien, Rennlisten, Wettbewerbe und harte Zielvorgaben gewöhnten ihn an die Welt, in der er später effektiv werden sollte: die totale Welt des VBs. Drei simple Pflichten, ohne jede idealisierte Schönfärberei im Quoten- und Incentiveplan formuliert, bestimmten die Welt: "Neue Kunden gewinnen, bestehende Kunden so betreuen, dass sie erhalten bleiben, Umsätze erhöhen."

Dienstag, 9. Dezember 2008

2.4 Die Schulung

Lochkarte, Quelle: Datev
Peter L.s junger Glaube wurde vom ersten Tag an auf eine harte Probe gestellt: Statt seine frischen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse in der Praxis einzusetzen, drückte er wieder die Schulbank. In einem zwölfmonatigen Training (Kosten 1961: rund 50.000 DM) wurde er in mehreren Phasen umgestaltet: Vom Menschen zum IBMer, vom kultivierten Betriebswirt zum Pionier für das Lochkartenverfahren und zum ausgefuchsten und trickreichen Verkäufer.
"Sie sind nicht mehr katholisch, Sie sind nicht mehr evangelisch, Ihre Konfession ist das Unternehmen IBM." Mit diesen schlichten Worten hatte Oberverkäufer Dr. K. die Konvertierung eingeläutet. Die versammelten Jünglinge (Assistenten) waren durchaus bereit, an die drei Großbuchstaben zu glauben. Was sich dahinter verbarg, entdeckte Peter L. im Transformationsprozess an sich selbst: Erfolg auf der Basis von Faszination, Wissen und Ausstrahlungskraft.
Diese drei, das IBM Selbstbewusstsein gestaltenden Attribute waren - gezielt dosiert - die Grundlage der Schulung.

Montag, 8. Dezember 2008

2.3 Der Kredit

Diese Vision stellte mit einer geradezu überwältigenden Überzeugungskraft Personalmanager und IBM-Dogmatiker Jörg M. Simpfendörfer in den Raum, der mit 30 perplexen Mitbewerbern (um den Job des VBs) besetzt war. Aus der folgenden Testrunde (Logik und Betriebswirtschaft) ging Peter L. mit vier weiteren Aspiranten als Sieger hervor. Die Einstellung war Formsache. Simpfendorf überzeugte ihn im folgenden Kurzgespräch von der Unmäßigkeit seiner Gehaltsvorstellung, schraubte die Anspruche auf 750 DM monatlich herunter und händigte ihm mit dem Vertrag einen Riesenkredit auf die Zukunft aus.

Sonntag, 7. Dezember 2008

2.2 Wie man VB wird

Als Peter L. nach der spektakulären Ankündigung des System /360 den Frankfurter Palmengarten in Richtung Geschäftsstelle verließ, hatte er nicht nur eine Überdosis Motivation inhaliert, sondern war zudem mit einer handfesten (aber nicht immer hieb- und stichfesten) Dolumentation unterwegs "ins Feld" (IBM-Jargon für Interessenten und Kunden). In dieses Feld, das für einen VB (Kürzel für Vertriebsbeauftragte) sowohl Welt als auch Geld bedeutet, war Peter L. drei Jahre zuvor geraten. Er hatte sich damals aufgrund einer Stellenanzeige in der FAZ der IBM angeboten.
L., der zu diesem Zeitpunkt gerade sein Studium der Betriebswirtschaft beendet hatte, fühlte soch geschmeichelt, als ihn die IBM zu einem Einstellungsgespräch einlud. Gänzlich auf Individualbehandlung eingestellt, erfuhr er gleich zu Beginn das völlig unkonventionelle Arbeitsklima des Lochkartenkonzerns: Statt gutbürgerlicher Einstellungszeremonie kam lediglich die kurze Aufforderung: "Nehmen Sie Platz und Anteil. Statt Abtast-Konversation erklärte sich IBM: "Wir sind zur Zeit Platz 20 der Unternehmensrangliste, wir visieren Platz 5 an."

Freitag, 5. Dezember 2008

2.1 Philosophie, Geist und Schwung


Der Markt war vorbereitet und aufnahmefähig. Der Verkäufer, der dem Kunden Lochkartenmaschinen verkauft hatte, war noch ein echter Berater, weil er aufgrund seiner spezifischen Produktausbildung, seinem im Regelfall mitgebrachtem Hochschulwissen und seinen gezielt eingesetzten Branchenkenntnissen in der Lage war (und in der Lage sein musste), von der Ablaufentwicklung bis zur Installation der Maschinen alle notwendigen Aktivitäten durchzuführen. Das führte fast zwangsläufig zu einem innigen Kunden-/Verkäufer-Verhältnis und damit zu der von Watson angestrebten Bindung des Kunden an die IBM.
Mit der nicht gerade problemlosen Einführung des Systems /360 änderte sich das Berufsbild des VBs rapide und ist bis heute ständigen Änderungen unterworfen. Die immer komplexer werdenden Anwendungen und Systeme erforderten die Implementierung ständig wachsender Unterstützungstrupps im Bereich des Systems Engineering, der anwendungsorientierten Beratung und auch der Marketing-Unterstützung.
„Den typischen Vertriebsbeauftragten der sechziger Jahre gibt es nicht mehr“, erklärte erst vor kurzem der EDV-Manager eines IBM-Großkunden. „Die VBs von heute müssen sich sehr darauf beschränken, beim Kunden als Interpretationsexperte für interne IBM-Richtlinien aufzutreten. Das eigentliche Geschäft bringen die Spezialisten.“
Der optimale Einsatz des in unvorstellbarer Menge vorhandenen Wissens, der Zugriff auf die für jedes Detailgebiet verfügbaren Spezialisten und die geschickte Kombination aller dieser Ressourcen mit der Zielsetzung, die immer noch Erreichung der Quote heißt, ist heute der Job des VBs. Die Umweltbedingungen haben sich nur unwesentlich verändert. Noch immer wird exzellent bezahlt (VB-Einkommen lassen sich durchaus mit den Honoraren hoher Mittelmanager und niedriger Topmanager der deutschen Industrie vergleichen) und die Karrieremotivation ist ebenso noch vorhanden. Nach wie vor rekrutiert IBM ihre Manager vorzugsweise aus den Reihen des Vertriebs.
In Deutschland stehen mehr als 1000 VBs an der Verkaufsfront. Allein diese Zahl ist erschreckend für die Mitbewerber, denn jeder dieser Vertriebsbeauftragten hat im Hintergrund ein Vielfaches an Unterstützung.
Der Verkaufserfolg eines Wettbewerbers muss deshalb viel höher bewertet werden als der eines IBM-VBs.
Graik: Detlev Bertram

Donnerstag, 4. Dezember 2008

2.0 Die wunderbare Welt der IBM Vertriebsbeauftragten

Foto Köck: Konsole der IBM /360
Die Mitbewerber der IBM konzentrierten ihre Bemühungen, dem schnell wachsendem Datenverarbeitungsgiganten Paroli zu bieten, im wesentlichen auf die Produktpalette. Selbst ansonsten recht erfolgreiche und gut gemanagte Großkonzerne, die durchaus das Profitpotential des EDV-Marktes erkannten, erfassten nicht den Zusammenhang zwischen der eigenartigen (aber einfachen), durch viel Larifari verbrämten IBM-Vertriebsphilosophie und dem erzielten Erfolg.
Dreh- und Angelpunkt in diesem von Thomas J. Watson sen. weltweit initiierten Monopoly war immer der Verkäufer, dessen Hauptaufgabe darin bestand, eine Identifikation des Kunden mit den Prinzipien der IBM zu erreichen.
„Die grundlegende Philosophie, der Geist und der Schwung einer Organisation sind bei weitem bestimmender für den relativen Erfolg als technologische und wirtschaftliche Kräfte, Organisationsstruktur und Zeitwahl“, erklärt Thomas J. Watson jun. 1962 in Vorlesungen an der Columbia Graduate School of Business. Und: „Das einzig Unantastbare in einem Unternehmen sollte die grundlegende Philosophie sein, die ihre Geschäftsgebaren bestimmt.“ Weiter: „Verständnis für Einstellung und Haltung eines Unternehmens in allen Dingen ist wichtiger als technische Kenntnisse.“Die vielbelächelten Watson-Thesen, die letztlich alle darauf hinaus liefen, schlicht und einfach an den Erfolg als Allheilmittel zu glauben, sind natürlich nur ein Teil des Rüstzeugs, mit dem ein IBM-Verkäufer agiert. Schon in der Frühzeit der Datenverarbeitung, dem Zeitalter des Hollerith-Verfahrens, arbeitete die IBM mit Personalauswahl-Methoden, Auswahlsystemen und Bezahlungssystemen, die zum Teil heute noch (1978 d.Red.) bei Mitbewerbern als absolute Neuerung bestaunt werden. Zu Beginn des Computerbooms waren diese Methoden und Systeme bereits so ausgefeilt, das lediglich eine geschickt konzipierte Produktlinie wie die /360-Familie nötig war, um die Marktlawine ins Rollen zu bringen.

Mittwoch, 3. Dezember 2008

1.5 Die Herausforderung


So ahnungslos Peter L. zum Windrosen-Meeting in den Frankfurter Palmengarten gekommen war, so fassungslos war er jetzt von der Botschaft, die ihm die Verkündung des neuen Systems vermittelte. Welche Dimensionen sich jetzt der Computerwelt auftaten, erlebte er aus der spontanen Reaktion eines Kunden. Star-VB Dr. W. präsentierte während des Announcments - als Preise und ähnlich wichtige Details noch gar nicht publik waren - den ersten Europa-Auftrag: Der Ölgesellschaft FINA genügte zur Vertragsunterzeichnung eine Kurz-Präsentation. Ein Beispiel, das Peter L. zeigte, dass de VBs die neue Generation bereits im Griff hatten. Er war sich der Herausforderung bewusst. Er nahm sie an. Ohne zu ahnen, was auf ihn (und seine Kunden)zukommen sollte, beschloss er, sich der Aufgabe zu verpflichten, die Distrikt-Manager Seeman in seinem Schlusswort so formulierte: "Der beste Außendienst der Welt verkauft das beste System der Welt."
Graik: Detlev Bertram